Mi. 12.02. & Do. 13.02.2014
Unsere Chile Reise sollte eigentlich mittwochs beginnen. Der erste erwähnenswerte Vorfall ereignet sich jedoch bereits einen Tag vor der Reise. Am späten Nachmittag ruft mich Christoph an: Er hat gerade eine E-Mail von Delta-Airlines bekommen. Unser Flug von Atlanta nach Santiago wurde gecancelt, da der Flughafen von Atlanta heute Abend wegen Schneesturm geschlossen wird. Demnach könnten wir zwar bis in die USA reisen, würden dann jedoch festsitzen. Da Christoph gleich seine Prüfung schreibt und ich auf dem Sprung zu einem Termin bin, übernimmt Kai die Kontaktaufnahme mit der Notfall-Hotline. Abends erfahren wir dann, dass unser Flug umgebucht wurde und wir nun statt um 10.15 Uhr erst um 17.40 Uhr mit Air France über Paris fliegen. Für mich quasi ein Déjà-Vu, habe ich ja bereits im Oktober meinen Delta-Flug über Paris umgebucht. Einerseits gut, dass es funktioniert, andererseits drängt sich die Frage auf, ob ich nochmal bei dieser Airline buchen sollte, da sie für 100 % meiner Reiseausfälle, bzw. Verschiebungen verantwortlich sind… In jedem Fall sparen wir nun Zeit, denn statt der geplanten 30 Stunden mit Stopps in Detroit und Atlanta, fliegen wir nun nur noch ca. 22 Stunden mit einem Zwischenstopp in Paris. Diesen Reisemarathon hatten wir auf anraten unseres Chile-Reise-Spezialisten Pit bereits im August gebucht, da er sich sicher war, dass wir für so einen Preis keinen Flug bekommen. Als Christoph eine Woche vorn Abflug dir Preise nochmals verglichen hat, fand er einen 18 Stunden-Flug für den gleichen Preis…nennen wir es mal Fluglotterie.
Die Flugverschiebung stellt sich für meine persönliche Zeitplanung als echter Glücksfall heraus und so erreiche ich halbwegs pünktlich um 15.30 Uhr den Frankfurter Flughafen. Meine Reisepartner Christoph und Kai sind nicht am Check-Inn und so vertreibe ich mir mit Lotte die Zeit mit Rolltreppe fahren. Irgendwann kommt uns von oben Christoph entgegen und sagt, dass sie bereits bei McDonalds sitzen. Als Kai und die Abschiedsgesellschaft eingetroffen sind, verstauen wir noch die letzten Nutella-Gläser (Gastgeschenke) in meinem Rucksack und ich gebe mein Gepäck auf. Als wir zum Sicherheitscheck kommen heißt es Abschied nehmen und man hat den Eindruck, dass dies denen, die daheim bleiben schwerer fällt als uns Reisenden… Ein Foto und zum letzten Mal meine kleine Lotte auf den Arm nehmen, dann geht’s los Richtung Südamerika, nach Chile!
Nach dem Sicherheitsscan werde ich von einem Security-Mitarbeiter aufgefordert mich in einen Seitenraum zu begeben. Mit einem Papierstreifen streicht er über das Display meiner Kamera. Das war’s schon. Wir winken noch ein letztes Mal unserem Abschiedskomitee, die immer noch draußen stehen und gehen dann Richtung Gate. Der Flug nach Paris verläuft eher unspektakulär. Einziges Highlight ist die Becherhalter an den Sitzen, die Kai und Christoph zum ersten Mal entdecken und welche überschwängliche Begeisterung auslösen.
In Paris hatten meine beiden Reisepartner geplant während unseres 5-Stündigen Aufenthalts das DFB-Pokal-Spiel der Bayern bei einem Bier zu verfolgen. Doch leider findet sich am Flughafen Charles de Gaulle weder eine Sportsbar noch ein Bier zu halbwegs normalen Preisen. So begnügen wir uns mit Softdrinks und Sandwiches im Wartebereich bis um kurz nach 23.00 Uhr das Boarding beginnt. Die Taktik erst am Ende einzusteigen wirft irgendwann die Frage auf, ob wir dann während des Flugs unser Handgepäck zwischen den Beinen haben, wie gerade auf dem ersten Flug erlebt. Mittlerweile stehen alle Passagiere in einer endlos scheinenden Schlange, anstellen bringt also keine Verbesserung der Situation. In diesem Moment offenbart Christoph eine ganz neue Seite an sich, wir nennen es den “Assi Beinert“. Ganz unbeteiligt stellt er sich neben die Wartenden und beobachtet potentielle Schwachstellen in der Menschenschlange. Und findet tatsächlich eine. Eine Gruppe Jugendlicher lässt immer wieder Lücken aufreißen und als sich eine solche direkt vor unserem Standort auftut schiebt sich “Assi Beinert“ gekonnt dazwischen und wir sind ein paar Schritte später an Bord. Der Nachtflug nach Santiago verläuft ebenso unspektakulär mit wenigen Turbulenzen. Das Unterhaltungsprogramm ist gut und die Verpflegung für einen Flug sogar reichlich. Leider sitzen wir direkt am Flügel, so dass uns der spektakuläre Flug über die Andenkordillere und der Anflug auf Santiago fast gänzlich verwehrt bleiben.
Nach der Landung demonstrieren wir südamerikanische Ruhe, was uns kurz später eine 40-Minütige Wartezeit bei der Einreisekontrolle beschert. Unsere Rucksäcke, einheitlich in schwarzen Cargo-Bags verpackt, warten schon neben dem Gepäckband auf uns. Jetzt nochmal durch den Zollscanner und dann haben wir es geschafft: Bienvenido a Chile!
Für mich beginnt der dritte Aufenthalt im längsten (4300 km) und schmalsten (175 km) Land der Welt und südwestlichen Rand Südamerikas, nach der Chile-Reise 2009 mit dem WSV Bürgel und einem 6-wöchigen Aufenthalt im Rahmen meiner Südamerika-Reise 2010/2011. Christoph war 2009 ebenfalls dabei, Kai betritt zum ersten Mal den Kontinent.
Draußen erwartet uns 5-köpfiges Empfangskomitee der Familie Fuentes, die uns eingeladen hat bei Ihnen in Santiago zu übernachten. Wer unsere Verbindungen nach Santiago nicht kennt, hier eine kurze Erklärung: Don Hugo und Sra. Bella sind die Eltern von Pilar, die mit Pit verheiratet ist, der unser Trainer beim WSV Bürgel war bzw. ist. Beide sind Freunde meiner Eltern und die Eltern meines Freundes Valentin, sowie von Victoria und Amanda, die mit Kai verlobt ist. So trifft Kai nun zum ersten Mal auf seine zukünftige Schwieger-Familie. Don Hugo und Sra. Bella, ihre Töchter Maria-Elena und Ximena, sowie ihr Mann Jorge sind gekommen um uns herzlichst zu begrüßen. Für mich ist es der dritte Empfang in Santiago und er fällt nicht minder herzlich aus als die beiden zuvor. Der “Star“ und Mittelpunkt für unsere Gastgeber ist Kai, der mit der im September anstehenden Hochzeit mit Amanda hier augenscheinlich für großen Wirbel und Vorfreude gesorgt hat. Draußen herrscht um 11.00 Uhr Ortszeit strahlender Sonnenschein bei angenehmen 20°. Tagsüber steigt das Thermometer derzeit auf 30 – 35°. Nach einem kurzen Smalltalk fahren wir mit Maria Elena nach La Cisterna, den Stadtteil Santiagos in welchen die Fuentes leben. Don Hugo zeigt uns das Gästezimmer, wobei er Kai sofort das Doppelbett zuweist, wie es sich für ein neues Familienmitglied gehört. Wir ziehen uns um, kurze Hose, Flip-Flops an, jetzt beginnt der Urlaub!
Anschließend gibt es erstmal Desayuno, Frühstück. Für uns deutsche um halb eins sicher etwas spät, hier aber gar nicht so unüblich und für mein Zeitgefühl optimal. Kai verteilt Einladungen für die Hochzeit und mir kommt bei den folgenden Gesprächen eine neue Rolle zu, die des Dolmetschers. Kai spricht gar kein Spanisch, Christoph hat etwas Basiswissen. Konnte ich mich bei meinem letzten Besuch noch auf Amanda und Valentin verlassen um Sprachbarrieren zu überbrücken, bin ich nun das Linguale Bindeglied zwischen unserer Reisegruppe und der Familie. Gar nicht so einfach… Mit meinem überschaubaren Wortschatz und etwas außer Übung dauert es etwas bis das Gespräch ins Laufen kommt. Dank Alicia, meiner peruanischen Köchin im MainBars, konnte ich im letzten Jahr zum Glück mein Spanisch wieder ein wenig auffrischen und so nun zumindest das wesentliche übersetzen. Es ist wie gewohnt eine lustige Runde, man erkundigt sich nach unseren Familien und Freunden in Deutschland, sowie unseren Reiseplänen. Das wir wahrscheinlich bereits am Folgetag weitereisen wollen scheint schon fast ein wenig Enttäuschung auszulösen. Aber der Weg in den Süden ist weit und die Liste unserer potenziellen Reiseziele lang. Zudem reist Valentin im März nach Chile und wir wollen uns auf dem Rückweg in Santiago treffen. Nach dem Frühstück gibt es Geschenke, auf Spanisch “Regalos“. Bereits bei den letzten Reisen hatte ich gelernt, dass Gastgeschenke hier üblich sind. Die Chilenen an sich scheinen gerade zu verrückt nach Geschenken zu sein und schenken selbst noch umso lieber. Es muss nichts großes sein, sondern eher eine kleine Aufmerksamkeit wie ein Glas Nutella oder ein Päckchen Gummibärchen, hier zwar erhältlich aber vom Preis her ein Luxusprodukt. Als Ausrüstung für den nächsten Deutschland-Besuch gibt es noch Mützen, für Sra. Bella ein Schmuckdöschen aus der Lederstadt Offenbach und als Highlight ein Ratschekasten, hier Ritsch-Ratsch genannt für Don Hugo (Danke Pit für den Tipp!)
Abends steht noch ein Familientreffen bei Maria-Elena in Pirque, einem Weinanbaugebiet etwas außerhalb von Santiago an. Vorher machen wir noch einen Stopp in Provedencia, einem Stadtteil Santiagos, wo sie noch etwas erledigen müssen. Auf dem Weg dahin klingelt das Telefon, es ist Maria-Elenas Tochter Francesca. Ihr wurde im Zentrum Santiagos der Rucksack gestohlen, mit Handy, i-pod, Kamera usw. drin. Mitten im McDonalds als sie den Rucksack auf den Knien hatte, kommt jemand von der Seite und reißt ihn ihr weg. Wir sind vorgewarnt, bei aller Sympathie für diesen Kontinent bleibt Kriminalität, insbesondere in den Großstädten, nach wie vor ein Problem.
Im Parkhaus wird ein Reinigungsservice für Autos angeboten. Eine mir neue und eigentlich gar nicht so schlechte Idee. Kurz ins Parkhaus, was erledigen und wenn man wieder kommt ist für kleines Geld das Auto aufpoliert. Wir schlendern durch die Straßen, die sich was das Angebot an Geschäften angeht durchaus mit europäischen vergleichen können. Unser Ziel ist die Touristeninfo bzw. ein Büro einer Transportgesellschaft, wo wir einen Bus in den Süden buchen wollen. Bereits seit einem Block scheint uns eine Frau mittleren Alters zu verfolgen, als ich nun die Karte raus hole spricht sie uns an, wo wir hinwollen. Nachdem sie uns kurz den Weg gezeigt hat verschwindet sie direkt in einem Telefonladen. Zufall oder die Anziehungskraft blonder Europäer… In der Touristen-Info empfängt man uns freundlich uns zeichnet uns den Weg zum nächsten Büro eines Busunternehmens ein. Wir suchen einen Nachtbus nach Puerto Montt, dem Drehkreuz für Reisen nach Patagonien. Im Schaufenster von TourBus soll die Reise 32.000 Peso kosten, ca. 42 € für 1.000 km. Gegenüber bietet ein kleines Unternehmen den Trip für 29.000 Peso an. Sicherheitshalber möchte ich bei TourBus aber nochmal nachfragen und siehe da, nur 27.500 Peso, gekauft! Warum draußen der höhere Preis angeboten wird bleibt mir ein Rätsel. Morgen Abend um 22.30 Uhr ist Abfahrt.
Wir gehen zurück Richtung Parkhaus, dessen verlassen sich als schwieriger als gedacht erweist. Erst finden wir die (nicht ausgeschilderte) Ausfahrt nicht, dann haben wir vergessen das Ticket zu bezahlen. Als wir im Auto neben der Schranke warten, fährt eine Frau an uns vorbei, deren böse Blicke, welche mich als Beifahrer scheinbar besonders treffen sollen, zu sagen scheinen “meint ihr Gringos für euch ist alles umsonst?!“
Auf der Fahrt nach Pirque frage ich nach wann es das letzte Mal geregnet hat. In Erwartung einer Antwort wie vor zwei Wochen, sagt Maria-Elena wie aus der Pistole geschossen: Im August! Das erklärt warum die Andenkette, welche den “Hintergrund der Stadt bildet, kaum noch zu sehen ist. 7 Monate ohne Regen lässt den Smog vor den Bergen hängen bleiben. Umso verwunderlicher, dass es an vielen Stellen noch relativ grün ist. Als wir an verschiedenen Krankenhäusern vorbeikommen, unterhalten wir uns über das Krankensystem und Maria-Elena erklärt, dass die öffentliche Gesundheitsversorgung sehr schlecht sei. Das Beitragssystem funktioniert wohl ähnlich wie unseres mit Arbeitgeber und Arbeitsnehmerbeiträgen, allerdings sei die Leistung die man bei den Ärzten ohne Zusatzversicherung bekommt nur notdürftig. Das klingt jetzt sicher makaber, aber Ich frage mich an dieser Stelle, ob dies der Grund ist, warum ich zwischen den Krankenhäusern die Werbetafeln von Bestattungsunternehmen entdecke…
Als wir auf dem Anwesen in Pirque ankommen begrüßt uns Maria-Elenas Mann Adolfo. Das Wort Anwesen ist hier nicht übertrieben. Wer die Fotos meiner letzten Reise nicht kennt, der kann sich ein ca. 3000 m² Grundstück im Stil einer Hacienda vorstellen, mit überdachten Eingangstor, einem Hauptgebäude und Seitenflügel und überdachten Autostellplätzen und hinter dem Haus eine große Terrasse an die ein riesiger Garten mit Pool, Volleyball- und Fußballfeld anschließt.
Zur Begrüßung gibt es erstmal einen Wein aus dem benachbarten Anbaugebiet. Nach und nach stoßen die restlichen Familienmitglieder hinzu, Ximena und Jorge mit ihrer jüngsten Tochter Sofie; die beiden älteren Geschwister Jorge Antonio und Fernanda, sowie Maria-Elenas älteste Tochter Ivana weilen derzeit gerade zu Besuch in Deutschland; sowie Hugos Söhne Juan und Hugo Eusebio mit Frau bzw. Familie. Ein Runde von 13 Personen, alle da um den zukünftigen Schwiegerenkel, -neffen, – Cousin zu begrüßen. Nach kurzem Meinungsaustausch wird der erste Eindruck unter “El pequeno Pit“ (der kleine Pit) zusammengefasst. Dies löst bei Christoph und mir natürlich mehr als ein Schmunzeln aus und es fällt schwer Kommentare über die Körpergröße zu unterdrücken 😉 Kai darf dies aber denke ich doch als Kompliment sehen und beim anschließenden Abendessen (ca. 23.30 Uhr) direkt neben den Großeltern Platz nehmen. Es gibt Asado, Fleisch vom Grill. Allerdings nicht wie bei uns max. 1 cm dicke Scheiben, sondern das ganze geht eher in Richtung “Give me 2 Fingers“. Das Essen ist superlecker und bei den Tischgesprächen ist die anstehende Hochzeit natürlich das Thema. Es folgen Trinksprüche von Don Hugo, Sra. Bella und Maria-Elena, bei denen Kai und Amanda viel Glück und uns eine gute Reise gewünscht wird. Abschließend erhebt Hugo Eusebio sein Glas auf die Liebe, denn es beginnt gerade der Valentinstag. An dieser Stelle nochmal nachträglich alles Gute an unsere Lieben J
Kai scheint überwältigt von der Herzlichkeit mit der er hier empfangen und in die Familie aufgenommen wird. Auch wir als Gäste fühlen uns herzlichst willkommen und es bestätigt das Gefühl von meinem letzten Aufenthalt. Es sind Erfahrungen, die schwer zu beschreiben sind, weil (ich lehne mich mal soweit aus dem Fenster) für uns deutsche so viel Gastfreundschaft unmöglich ist. Man muß es einfach erlebt haben und nun können wir diese Erfahrung teilen. Abschließend fordere ich die Familie, natürlich scherzhaft, auf Amanda zu schreiben, ob sie mit ihrem zukünftigen Ehemann einverstanden sind 😉
Zum Abschluß des Abends zeigen Maria-Elena und Adolfo Fotos von ihrer Urlaubsreise nach Patagonien im letzten Monat, die an vielen Stationen unserer geplanten Route gleicht. Dreimal haben sie sich auf der Größenteils unbefestigten Piste einen Reifen platt gefahren und ihre Zelte wurde mitten in der Wildnis aus dem Dachgepäckträger gestohlen. Aber dies kann den Gesamteindruck nicht schmälern und die beeindruckenden Landschaften wecken unsere Vorfreude und wir können kaum erwarten, dass es morgen Nacht endlich losgeht.
Aber vorher geht’s noch zum Sightseeing nach Santiago

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